Schulkonzepte


Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Ich weiß, daß ich nie die Chance haben werde im Stern zu erscheinen. Aber bin ich darum weniger wichtig? Ich bin blind! Aber ich bin gerne Text. Und sollten Sie mich jetzt tatsächlich zu Ende lesen, dann habe ich etwas geschafft, was den meisten normalen Texten nicht gelingt. Ich bin nur Blindtext und halte den Platz für Wichtigeres frei. Ich weiss, dass ich wieder gelöscht werde aber das macht mir nichts aus. Das ist meine Bestimmung. Jaja, es stimmt. Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Ein trauriges Leben ist das.

Ich kenne weder Erzeuger noch Autor. Irgendwann haben sie mich in die Welt gesetzt, und seitdem werde ich herum gereicht. Meine Eltern bekennen sich nicht einmal zu mir. Ich stehe ganz allein da. Meistens zwischen schillernden neuen Layouts, die dann alle bewundern. Oder neben schicken Bildern, die andere beachten. MICH beachtet keiner. Ich bleibe oft ungelesen. Kein Wunder: Würden Sie jemandem Beachtung schenken, der meistens aus dem Zusammenhang gerissen ist? Eben. Ich bin ein elender Lückenbüßer, der Geschmacksverstärker der Grafikbeilage. Aber ich bin kein schlechter Text! Wirklich. Ich bin mehr als eine tumbe Zeichenabfolge. Ich ergebe Sinn, meine ganze Existenz ist nicht sinnlos, nur weil ich blind bin. Wie viel Arbeit habe ich Redakteuren schon erspart? Wie viele Nullnummern und Präsentationen habe ich schon gerettet? Und manchmal, wenn sie nicht aufpassen, dann mogle ich mich auch schon mal rein ins Blatt. Nur so. Für meine Warhol-schen fünf Minuten Glanz und Ruhm. Und den Ärger bekommt dann immer ein anderer. Ich kann ja nichts dafür: Ich bin Blindtext.